Unsichtbare Helfer der Halbleiterproduktion

05/08/2024 • 5min

Halbleiterproduktion

Die Halbleiterindustrie ist auf hochreine Gase angewiesen, um die Qualität und Leistungsfähigkeit ihrer Produkte zu gewährleisten. Sie werden in einer Vielzahl von Produktionsprozessen eingesetzt, von der Beschichtung bis zum Wachstum der Materialien. Dabei ist die Reinheit entscheidend, denn schon kleinste Verunreinigungen können die Funktionalität und Zuverlässigkeit von Mikrochips beeinträchtigen. Hier kommen die Industriegasespezialisten ins Spiel, die mit ihrem Know-how und ihren Technologien die notwendige Reinheit und Verfügbarkeit dieser Gase sicherstellen.

Laut dem Fachverband der deutschen Elektro- und Digitalindustrie hat die Branche im Jahr 2023 einen Umsatz von 238 Milliarden Euro gemacht und beschäftigt hierzulande mehr als 900.000 Menschen. Ein bedeutendes Standbein des Industriezweiges ist dabei die Herstellung von Halbleitern.

Für die Herstellung der Hightech-Produkte sind die Unternehmen der Halbleiterbranche auf eine Vielzahl von Dienstleistern angewiesen. Diese stellen die für die Fertigung benötigten Rohstoffe sowie Vorprodukte bereit und sorgen für die passenden Voraussetzungen der Chip-Produktion. Zu diesen Partnern zählt auch der Industriegasespezialist Air Liquide Electronics aus Ottendorf-Okrilla bei Dresden im Silicon Saxony – Europas größtem Mikroelektronik-Cluster – jeder dritte in Europa produzierte Chip kommt aktuell von dort.

 

Hochreine Gase – unerlässlich für die Halbleiterbranche

„Wir versorgen Mikroelektronik-Unternehmen mit hochreinen Gasen und Spezialgasen, um hochwertige und leistungsfähige Halbleiterbauteile herzustellen. Denn unter anderem mithilfe der Gase werden die Qualität und die besonderen Eigenschaften der Bauteile sichergestellt. Schließlich kann jede kleinste Unreinheit im Produktionsprozess die Beschaffenheit eines Mikrochips oder eines elektronischen Bauteils beeinflussen oder schädigen“, erklärt Wolfgang Steiner, Geschäftsführer von Air Liquide Electronics.

Über 150 verschiedene Gase, werden laut dem Experten, in der Herstellung von Halbleitern verwendet. Dazu zählen unter anderem Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Argon, Helium, Silan oder andere Spezialgase. Welche Gase letztendlich genutzt werden, hängt immer von der gewünschten Reaktion im Produktionsprozess ab. Dabei geht es um schichtaufbauende Prozesse, wie Oxidation und Beschichtungen oder schichtabtragende wie Ätzung.

 

Gase für verschiedenste Produktionsprozesse

Eingeteilt werden die sogenannten Prozessgase nach ihrer jeweiligen Funktion und Anwendung: „Silan ist beispielsweise ein siliziumzuführendes Gas. Es hilft dabei, Silizium in verschiedenen Formen in den Produktionsprozess einzubringen. Dabei werden Schichten auf dem Halbleiterbauteil aufgebaut“, erklärt Steiner.
Eine weitere Gruppe sind die reagierenden Gase. „Dazu gehören dotierende Gase wie Phosphin, Bor oder Arsin. Werden sie hinzugefügt, macht das die Halbleitermaterialien elektrisch leitfähig. Chlor oder Wasserstoffperoxid werden wiederum als Ätzgase bezeichnet. Mit diesen chemischen Verbindungen wird gezielt Material von der Oberfläche eines Halbleiterträgers entfernt“, so Steiner weiter.
Die Halbleiterproduktion wird stets in kontrollierten Atmosphären durchgeführt, im Reinraum. Das erfordert atmosphärische Gase wie Stickstoff und Argon, so dass die Prozesse gleichmäßig und präzise ablaufen können – die Qualität der hergestellten Chips kann so zuverlässig gewährleistet werden.

 

Verunreinigungen im Millionstel-Bereich

„Die Reinheit eines Gases gibt dabei an, wie hoch der Anteil an anderen enthaltenen Stoffen ist – wir sprechen hier auch von Verunreinigungen. Je geringer deren Anteil, umso höher ist die Qualität des Gases“, sagt Steiner. Die Reinheit von Gasen wird dabei immer in Prozent oder ppm (Parts per Million) bis hin zu ppt (Parts per Trillion) angegeben. Die englischen Abkürzungen geben immer den Millionsten- beziehungsweise Billionsten-Anteil an Verunreinigungen im Gas an. Der Prozentwert zeigt dagegen, wie viel reines Gas enthalten ist. Damit hätte Stickstoff mit einem spezifizierten Anteil von 1 ppm Verunreinigungen einen Reinheitsgrad von 99,9999 Prozent.
„Wir unterteilen die Produkte in zwei Kategorien, die Special Materials und die Carrier-Gase beziehungsweise Trägergase. Zu letzteren zählen beispielsweise Stickstoff, Argon Sauerstoff und Wasserstoff. Sie werden in der Halbleiter-Produktion an verschiedenen Stellen in großen Mengen benötigt und von uns per Lkw in gasförmiger oder flüssiger Form geliefert“, sagt Steiner. „Einige hochreine Carrier-Gase wie Stickstoff und Sauerstoff können auch direkt vor Ort beim Kunden erzeugt werden. Dieser Prozess wird als „On-Site"-Gasproduktion bezeichnet. Das ist meistens der Fall, wenn fortlaufend hohe Mengen oder auch ganz spezielle Reinheiten dieser Gase in der Produktion gebraucht werden“, erklärt Steiner weiter.
Zur zweiten Kategorie, den Special Materials, gehören Spezialgase wie Silan und auch einige spezifische Prozesschemikalien. „Spezialgase sind individuell für die Halbleiterindustrie hergestellte chemische Verbindungen und Gemische. Die Herstellung solcher Gase ist sehr komplex. Deshalb produzieren wir sie in speziellen Füllwerken,“ so Steiner.

 

Von der Luft zum hochreinen Gas

Industriegase kommen aus der Luft. Schließlich ist Luft nichts anderes als ein Gemisch aus verschiedenen Gasen. Dazu gehören beispielsweise Stickstoff und Sauerstoff. Um hochreine Gase herzustellen, muss dieses Gemisch allerdings in seine Bestandteile zerlegt werden – das geschieht in sogenannten Luftzerlegungsanlagen:

  1. Hier wird die Umgebungsluft zuerst von Staub befreit und anschließend mit einem Kompressor verdichtet.
  2. Dann werden Stoffe wie Kohlenstoffdioxid und Feuchtigkeit entfernt, bevor die Luft in den Tieftemperaturbereich bis unter –170 °C abgekühlt und verflüssigt wird. Die notwendige Kälte wird durch Entspannungsturbinen bereitgestellt.
  3. Getrennt wird die tiefkalte Luft, die inzwischen aus einem Gemisch aus Gas und Flüssigkeit besteht, in der sogenannten Trennkolonne der Luftzerlegungsanlage. Das sind hohe Säulen mit durchlässigem Packungsmaterial. In diesen Packungen steigt die Luft beziehungsweise das Gas nach oben und wäscht im Gegenstromverfahren den Sauerstoff aus dem Stickstoff heraus.
  4. Durch die vielen Packungen und die unterschiedlichen Siedetemperaturen der einzelnen Gase, findet der Destillationsprozess in der Kolonne in mehreren Stufen statt.
  5. Für die Gewinnung von Trägergasen wie Argon, Helium, Neon, Krypton oder Xenon werden ähnliche Verfahren mit zusätzlichen Trennkolonnen angewendet.

Solche Luftzerlegungsanlagen können auf dem Werksgelände eines Unternehmens installiert werden. Dadurch kann das gewonnene reine Gas direkt über Rohrleitungen in die Fabrik befördert werden.

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