Die Klimaerwärmung muss schnellstens eingedämmt werden. Das ist wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Konsens. Dieses Ziel ist nur im engen Schulterschluss von Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu erreichen.

Mehr und mehr Unternehmen bekennen sich zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und streben an, bis 2050 klimaneutral zu werden. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die politische Rahmensetzung, in Europa durch den European Green Deal.

Aber auch die Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, gegenüber ihren eigenen Mitarbeitenden, deren Familien und für zukünftige Generationen erfordert ein entschlossenes Handeln. Junge talentierte Mitarbeiter kann schon heute nur der gewinnen, der sich Nachhaltigkeitszielen verpflichtet hat. Unternehmen legen dafür ihr individuelles Fundament, indem sie Klimaziele in ihrer Strategie verankern. So ist gewährleistet, dass sich alle Mitarbeiter hinter dieser Zielsetzung versammeln und die erforderlichen Kapitalmittel bereitgestellt werden.

Wie sind wir bei Air Liquide vom Wollen zum Handeln gekommen?

Unsere Strategie basiert auf zwei Säulen:

  1. Unsere eigenen Geschäftsaktivitäten zu dekarbonisieren. Wir haben uns zu den europäischen Zielsetzungen einer weitgehenden Klimaneutralität bis 2050 bekannt und werden bis 2035 bereits ein Drittel unserer CO2-Emissionen reduzieren.
  2. Unsere Kunden dabei zu unterstützen, ihre Produktion kohlenstoffarm zu gestalten und dabei ihre Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren, wenn möglich sogar zu steigern.

Bei all diesen Vorhaben spielt Wasserstoff eine maßgebliche Rolle. Wir planen, allein in die nachhaltige Lieferkette dieses Moleküls bis 2035 weltweit acht Milliarden Euro zu investieren; Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas ist dabei ein Schlüsselakteur.

Um die Transformation erfolgreich gestalten zu können, ist die Beantwortung folgender Fragen vorrangig:

Werden wir erneuerbare Energien in ausreichendem Maße und zu bezahlbaren Konditionen zur Verfügung haben?

Neben dem Bedarf einer direkten Elektrifizierung (zum Beispiel beim Kurzstreckenverkehr oder teilweise im Wärmesektor) werden große Mengen an erneuerbarem Strom für die Herstellung von grünem Wasserstoff benötigt, damit der Industrie diese wichtige Transformation gelingen kann. Der Preis dieses erneuerbaren Stroms darf hier den heutigen industriellen Strompreis nicht überschreiten, da sonst die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Kontext beeinträchtigt würde und somit der Produktionsstandort gefährdet wäre.

Wie schaffen wir eine nachhaltige Nachfrage nach kohlenstoffarmen Produkten?

Es braucht Kunden, die bereit sind, die mit dem Wandel verbundenen Mehrkosten von kohlenstoffarmen Produkten zu tragen. Unternehmen arbeiten intensiv an dem technologischen Fortschritt, um die Produktionskosten von erneuerbarem Wasserstoff zu senken, aber die “fossil-reduzierte” Konsumwelt wird auf absehbare Zeit kostenintensiver sein. Bis Angebot und Nachfrage eine akzeptable Balance gefunden haben, muss der Staat legislativ mutig und zugleich flexibel unterstützen. Dies geschieht, indem er den noch am Anfang teuren Technologiewandel begleitet, etwa mit zielgerichteter Förderpolitik bei Investitionen und Herstellkosten von kohlenstoffarmem Wasserstoff. Eine adaptive Regulierung ermöglicht es zudem, langfristig die bestehenden Systeme zu vereinheitlichen und trotzdem kurzfristig möglichst alle wirtschaftlichen Akteure für die Transformation zu mobilisieren. Schließlich ist eine länderübergreifende Zertifizierung dringend notwendig, um die Endverbraucher transparent und einheitlich über den CO2-Fußabdruck des hergestellten Wasserstoffs zu informieren.

Wie schaffen wir den Markthochlauf für Wasserstoff und lösen das bekannte Henne-und-Ei-Problem bei der Verfügbarkeit von bezahlbarem, kohlenstoffarmem und in ausreichender Menge verfügbarem Wasserstoff?

Um die Industrie bei ihrer Transformation bestmöglich zu unterstützen, sollten alle verfügbaren Technologien angemessen eingesetzt werden, die den CO2-Fußabdruck, auch den bestehender Anlagen, reduzieren. In diesem Kontext sollte die Nutzung von CCU/CCS*-Technologien, wenn auch nur selektiv und/oder befristet, nicht von vornherein ausgeschlossen werden. So wird eine befristete “Parallelität” geschaffen, die es den Unternehmen ermöglicht, diese herausfordernde Aufgabe zu bewältigen und dabei international zu bestehen, während wir den Markthochlauf für Wasserstoff gemeinsam erfolgreich gestalten. Dieser Vorteil hilft uns dann auch, unser entwickeltes Know-how in naher Zukunft in anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Für eine exportorientierte Industrie wie die unsere ist dies nicht nur existentiell, sondern kann uns eine zukunftsträchtige Perspektive eröffnen.

Der industrielle Wandel muss deutlich an Fahrt gewinnen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.

Wir von Air Liquide arbeiten intensiv daran, den CO2-Ausstoß zu mindern, den Wasserstoff-Hochlauf in der Industrie und der Mobilität weiterzuentwickeln sowie mehr erneuerbaren Strom in unserem eigenen Energiemix einzusetzen. Drei internationale Beispiele hierzu finden Sie in der Infobox (siehe unten).

Gilles Le Van, Managing Director Air Liquide Deutschland

Fazit

Die ambitionierten Ziele von heute und die Großprojekte dieser Zeit können in fünf oder zehn Jahren schon als “Regular Business” angesehen werden, wenn Unternehmen, Politik und Gesellschaft gleichermaßen daran mitwirken. Besonders hier in Deutschland. Wir als energieintensives Industrieunternehmen und VIK-Mitglied sind uns unserer besonderen Verantwortung bewusst und sind bereit, im konstruktiven Dialog mit der Politik und Gesellschaft Projekte zur Verbesserung der Nachhaltigkeit zu entwickeln und umzusetzen.

Gilles Le Van
Vorsitzender der Geschäftsführung
Air Liquide Deutschland GmbH

Weniger CO2: Übernahme der größten Sauerstoffproduktion der Welt in Südafrika

Air Liquide hat 2020 mit Sasol den Erwerb der größten Sauerstoff-Produktionsanlage der Welt in Secunda, Südafrika, abgeschlossen (16 Luftzerlegungsanlagen mit einer Kapazität von 42.000 Tonnen Sauerstoff pro Tag). Air Liquide beabsichtigt dabei eine Reduzierung der CO2-Emissionen aus der Sauerstoffproduktion um 30 bis 40 Prozent bis 2030 durch das effizientere Betreiben der Anlagen einerseits und die Erhöhung des Stromanteils aus erneuerbaren Energien andererseits.
Auch in Deutschland arbeiten wir jeden Tag daran, die Energieeffizienz unserer Anlagen zu verbessern und den Anteil erneuerbarer Energien im Betrieb drastisch zu erhöhen.

Mehr Wasserstoff: Großprojekt in Nordfrankreich

Air Liquide hat sich mit 40 Prozent am Unternehmen H2V Normandy beteiligt. Ziel ist der Bau eines groß angelegten Elektrolyseur-Komplexes mit einer Leistung von bis zu 200 MW für die Produktion von Wasserstoff in Frankreich. Das Projekt wird in Port-Jérôme in der Normandie umgesetzt und zielt darauf ab, erneuerbaren und kohlenstoffarmen Wasserstoff für industrielle Anwendungen sowie zukünftige Mobilität zu liefern. H2V wird es ermöglichen, 250.000 Tonnen CO2 pro Jahr zu vermeiden.
Auch in Deutschland beabsichtigen wir die Installation von Wasser-Elektrolyse-Anlagen, um Industrie und Verkehr zu dekarbonisieren.

Erneuerbare Energie: PPAs in USA, Spanien - jetzt auch in den Niederlanden

Air Liquide hat Anfang 2021 mit Vattenfall einen langfristigen Stromabnahmevertrag (PPA) über insgesamt 25 Megawatt Offshore-Windkapazität in den Niederlanden unterzeichnet. Dies ist der dritte PPA der Air Liquide Gruppe, nach vorherigen Vereinbarungen in den USA und Spanien. Damit wird eine neue Sauerstoff-Produktionsanlage im Weltmaßstab mit subventionsfreiem Windstrom aus der größten, circa 25 Kilometer vor der Küste gelegenen und neu geplanten Offshore-Windfarm ab 2023 betrieben werden.
Sobald die Anforderungen an grünen Wasserstoff endgültig definiert sind, werden wir auch in Deutschland ein PPA für den direkten Bezug erneuerbarer Energie abschließen können.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*CCU: Carbon Capture and Utilization (CO2-Abscheidung und -Verwendung); CCS: Carbon Capture and Storage (CO2-Abscheidung und -Speicherung).

Quelle: VIK Mitteilungen/ConEnergy